Warum bist du plötzlich so witzig, Ricarda Lang?
Ein Gespräch über Humor in der Politik, über Frauen, Macht und Markus Söder
Herzlich willkommen bei dieser kleinen Selbsthilfegruppe zum Thema politische Kommunikation.
Ich werde nie vergessen, wie mich 2019 einer der mächtigsten Männer hinter Olaf Scholz anrief: „Carline, Du musst Olaf ZUM LEUCHTEN bringen!“ Seitdem begleitet mich die Frage, wie witzig, echt und persönlich eine Politiker:in sein kann oder sollte.
Beim Kommunikationskongress habe ich darüber mit Ricarda Lang gesprochen. Früher Parteivorsitzende, heute selbsternannte Humorbeauftragte der Grünen – und auf Social witziger als die Heute-Show.
Bonusmaterial: Micky Beisenherz spendiert uns einen Söderwitz.
Ricarda, Söder & Bier
Carline: Wie lief das: Hast Du irgendwann Deinen Entwürfe-Ordner geöffnet und geguckt, was noch gut ist?
Ricarda: Es fing kurz vor meinem Rücktritt an. Nach der Wahl in Sachsen tauchte ein Bild von mir in rechtsradikalen Kreisen auf. Ich trinke ein Bier und starre aufs Handy. Es wurde gehöhnt, gehetzt, gespottet. Da habe ich das Bild selbst bei Insta hochgeladen, weil ich dachte: „Was ist Euer Problem Leute. Ja, ich trinke ein Bier.“ Das war keine Strategie, das war Trotz. Und hat sich gut angefühlt.
Carline: Der Befreiungsschlag?
Ricarda: Ja schon. Ich habe gemerkt, wie gut es tut, auf manche Dinge einfach mit Humor zu reagieren. Auch weil ich dachte: Ey, was ihr könnt, kann ich schon lange. Ich finde, ich bin witziger als die meisten Rechten.
Carline: Welche Ängste haben Dich vorher davon abgehalten?
Ricarda: Es ist zum einen die Angst vor dem ganz Unmittelbaren. Wenn ich in einer Talkshow sitze, läuft im Hinterkopf sofort mit: „Welcher Schnipsel meiner Antwort könnte aus dem Kontext gerissen und verbreitet werden? Das führt dazu, dass man versucht so zu antworten, dass das Interview einfach niemandem auffällt.
Carline: Hattest Du Sorge, dass Du als witzige Frau nicht ernst genommen wirst?
Ricarda: Auf jeden Fall. Ich bin mit 28 Jahren ins Amt gewählt worden. Und ich wollte unbedingt, dass die Leute mich als Spitzenpolitikerin respektieren und ernst nehmen. Ich wollte, dass alle sehen, dass man mir das Amt wirklich zutrauen kann.
Carline: Es war also eine strategische Entscheidung.
Ricarda: Mein Team und ich haben früh festgelegt, was unser wichtigstes Ziel für das erste Jahr sein soll. Es lautete: Wir wollen, dass Du am Ende des Jahres als Regierungspolitikerin ernst genommen wirst. Ich glaube, das ist uns auch gelungen. Die andere Frage ist, was auf dem Weg verloren gegangen ist.
Carline: Was denn?
Ricarda: Ich war sehr beschäftigt damit, allen zu beweisen, was ich NICHT bin: nicht zu jung, nicht zu links, nicht zu locker. Ein totaler problematischer Effekt: Man arbeitet sich an einem Klischee über sich selbst ab und wird zu einem anderen Klischee.
Carline: Hättest Du es im Rückblick gerne anders gemacht?
Ricarda: Ich frage mich häufiger: Was ist denn das Schlimmste, was hätte passieren können? Klar hätte ich Leute unglaublich genervt, auch im eigenen Laden. Aber vielleicht hätte ich auch mehr Menschen erreicht. Menschen, die das Gefühl haben: Die Politik ist so weit von mir weg, das hat gar nichts mit mir zu tun.
Humor, Strategie & Demokratie
Carline: Du glaubst, wir können die Demokratie mit Humor retten?
Ricarda: Fast alle westlichen Demokratien haben in den vergangenen Jahrzehnten massiv an Vertrauen verloren. Wenn wir es nicht schaffen, etwas zu ändern in der Art, wie wir auftreten, wie wir reden, wie wir Menschen erreichen, dann ist hier wirklich bald Crunchtime für die Demokratie. Der politische Betrieb MUSS sich ändern, sonst werden wir überrollt.
Carline: Mir wurde beigebracht: Die Leute finden humorvolle, kumpelige Politiker:innen zwar sympathisch. Aber sie wählen sie nicht.
Ricarda: Grundsätzlich stimmt das wohl. Wir haben in Deutschland ein klassisches Führungsverständnis. Wir erwarten, dass jemand den Ton angibt und den Weg vorangeht. Ich glaube aber, das ist kein zeitgemäßer Führungsstil. Und ich glaube, dass er an vielen Stellen nicht mehr funktioniert.
Carline: Inwiefern?
Ricarda: Ansagen-Politiker täuschen den Bürger:innen vor, sie vor den großen Problemen einfach abzuschirmen. Der Merkel-Stil: „Machen Sie sich keine Sorgen, ich kümmere mich drum.“ Bei Scholz hat das schon nicht mehr funktioniert.
Carline: Aber jetzt wurde Merz gewählt. Der ist nun auch kein Leuchtfeuer der dialogischen Sympathiekommunikation.
Ricarda: Ich bin trotzdem fest davon überzeugt, dass die Ansagenpolitik ausgedient hat. Weil die Menschen merken, dass das Sicherheitsversprechen nicht mehr stimmt. Die Klimakrise lässt nicht ignorieren und wir haben einen Krieg auf europäischem Boden. Man simuliert Sicherheit und weil das nicht funktioniert, öffnet man die Tür denjenigen, die Chaos zu ihrem politischen Prinzip gemacht haben.
HUMOR, MACHT & FRAUEN
Carline: Humor ist Macht. Ist Dir bewusst, dass Deine bissigen Posts auch ein Machtinstrument sind, mit dem Du Deine Überlegenheit demonstrierst?
Ricarda: Ja schon. Wenn man immer versucht, auf jemanden der polemisiert oder sogar lügt, argumentativ zu reagieren, gerät man schnell in die Opferrolle. Man muss sich permanent verteidigen: „Das stimmt nicht“ oder „das gefährdet die Demokratie“ oder „das ist unter der Gürtellinie.“ Aber sich mal nicht alles gefallen zu lassen und satirisch zu reagieren, gibt mir Souveränität.
Carline: Viele Männer mögen keine überlegenen Frauen. Also auch keine witzigen Frauen?
Ricarda: Also, Söder findet mich nicht lustig, das weiß ich definitiv. Und es stimmt: Ich merke, dass lustige Frauen bei Männern ein Störgefühl auslösen. Aber eben auch Respekt.
Carline: Würdest Du Frauen raten, witziger zu sein?
Ricarda: Unbedingt. Niemand muss irgendetwas vorspielen. Aber ich finde schon, Frauen sollten sich mehr trauen. Zeigt Euren Charakter, Eure Stärken, Euren Witz!
Bonusmaterial: Der Söderwitz
Exklusiv von Micky Beisenherz für Euch:
Was ist der Unterschied zwischen einer Bratwurst und Markus Söder?
Bei der Wurst hat man Angst, was reinkommt. Bei Markus Söder …
Lol.
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